Museum für Rechtsgeschichte mit Folterkammer

Das Schloss Rogendorf, für welches sich im Laufe der Zeit die Bezeichnung Schloss Pöggstall einbürgerte, wurde am Ende des 13. Jahrhunderts von den Herren von Maissau als Wasserburg im frühgotischen Stil errichtet und später im Renaissancestil umgebaut. Das Schloss im südlichen Waldviertel beherbergt seit 1988 als Museum für Rechtsgeschichte einen Teil der rechtsgeschichtlichen Sammlung des Landes Niederösterreich, die von den Landessammlungen Niederösterreich verwaltet wird. Die Ausstellung wurde zu Beginn in der Barbakane (früher genannt Rondell) des Schlosses angesiedelt, besaß zunächst einen Schwerpunkt auf die Rechtsprechung der Zeit vor 1848 und erfuhr in der Folgezeit eine stetige Adaptierung der Ausstellungsinhalte. Nach der Landesausstellung 2017 wurde das Schloss Pöggstall mit dem „Museum für Rechtsgeschichte“ wieder dauerhafter Ausstellungsstandort für die Bestände der Landessammlungen Niederösterreich und lädt seine Besucherinnen und Besucher dort nun mit einem neuen wissenschaftlichen Konzept und Vermittlungsprogramm zur Beschäftigung mit dem Thema Rechtsprechung ein. 


Schandbühne mit Pranger

Auf 200 m² Ausstellungsfläche können interessierte Besucherinnen und Besucher in die Welt der Rechtsprechung eintauchen und sich mit den wichtigsten Entwicklungen der Rechtsgeschichte bis ins 19. Jahrhundert anhand von Objekten aus den Landessammlungen des Landes Niederösterreich auseinandersetzen.

Berücksichtigung finden dabei die Geschichte der Sammlung, die Entwicklung der Rechtsprechung, sowie die Darstellung von Ehren-, Leibes-, Freiheits- und Lebensstrafen.


Sammlungsbereich Rechtsgeschichte 

Den Grundstock des Sammlungsbereiches Rechtsgeschichte gelangte bereits im Jahr 1950 per Legat in den Besitz des Landes Niederösterreich. Der Schenker war der Beamte und Jurist DDr. Hans Liebl, der die Sammlung in einer mehr als 40-jährigen Sammeltätigkeit systematisch zusammentrug. Die Sammlung erschließt die Entwicklung der Strafrechtspflege in Österreich mit Schwerpunkt auf Niederösterreich vom 16. bis ins 19. Jahrhundert anhand von Artefakten des historischen Strafvollzugs. Ergänzt wird der dreidimensionale Bestand durch eine umfangreiche Sammlung an historischen Archivalien zur Rechtsprechung und einer Fachbibliothek zum Thema.

Die Artefakte erschließen sich aus den drei Bereichen des historischen Strafvollzugs: Ehrenstrafen, Leibes- und Freiheitsstrafen sowie Lebens- bzw. Todesstrafen. Die aus diesem Bereich vorhandenen Objekte der Sammlung sind unter anderem Schandmasken und -Fiedeln, Handfesseln oder Fußeisen. Neben anderen Strafwerkzeugen, wie Prügelbänken und Zangen, enthält die Sammlung eine beträchtliche Anzahl an Richtschwertern aus dem 16. bis 18. Jahrhundert sowie Großobjekte wie Schandbühne, Räder, Streckleitern und Pranger. Vervollständigt wird der Bestand an Artefakten aus dem Strafvollzug durch Rechtssymbole, die die Entwicklung der Rechtsprechung, insbesondere jene des Gerichtswesens, dokumentieren. Aus diesem Grund befinden sich Foltergeräte für die „peinliche Befragung“ im musealen Bestand, da diese im mittelalterlichen und neuzeitlichen Rechtsverständnis keine eigentliche Strafe, sondern ein legitimes Mittel zur Wahrheitsfindung im Strafverfahren darstellte.

Die dreidimensionalen Objekte des Bestandes werden durch eine umfangreiche Sammlung an schriftlichen und bildlichen Quellen zur europäischen Rechtsgeschichte mit Schwerpunkt auf Österreich und den deutschsprachigen Rechtsraum ergänzt. Darin enthalten sind wertvolle Gesetzesbücher, Urteile und Strafprozessakten wie der Laienspiegel, der richterliche Klagspiegel oder Landesgerichtsordnungen. Der Fokus bei den Bildquellen liegt auf Verbrechen, Richtstätten, Hinrichtungen, sowie bekannten Kriminalfällen der österreichischen Geschichte.

Folterkammer

Seit 2018 ist der Besuch der Folterkammer im Rahmen einer Kulturvermittlung im Museum für Rechtsgeschichte inkludiert. Im hintersten Turm des Schlosses (von der einheimischen Bevölkerung „Marterturm“ genannt) verbirgt sich ein Dokument der Grausamkeit, eine Folterkammer.

Diese Einrichtungen der Gerichtsbarkeit entstanden im 15. Jahrhundert, als die Landgerichte die ‚peinliche Befragung‘ durchführten. Die Schlossherren hatten nun die dafür notwendigen Einrichtungen zu schaffen und errichteten in den Burgen und Schlössern die Folterkammern. Jene im Schloss Pöggstall ist das einzige am Original-Standort erhaltene Beispiel in Österreich und wurde vermutlich bis 1776 verwendet. In den Sterbematriken der Pfarre sind elf Hinrichtungen verzeichnet, die Zahl der Gefolterten dürfte höher gewesen sein. Hinrichtungen wurden auch in Pöggstall auf freiem Feld durchgeführt. Die letzte betraf am 21.2.1748 Elisabeth Perodin. Sie hatte ihren Ehemann mit einer Mischung aus Nieswurzen, Eibenbeeren und Tollkirschen vergiftet. Der Mörderin wurde auf der dafür vorgesehenen Richtstatt am Ortsende der Kopf abgeschlagen. Auf diesem Schwert war ein Spruch eingraviert: „Wer findet, eh’ es verloren, soll sterben, eh’ er krank.“ Als die Folter als Maßnahme zur Wahrheitsfindung abgeschafft worden war, wurde der Eingang zur Folterkammer im Schloss vermauert. Mit der Zeit geriet dieser Ort des Grauens in Vergessenheit, und was im Allgemeinen bei historischen Relikten einen Verlust bedeutet, erwies sich hier als Gewinn: Die Folterkammer blieb als historisches Zeugnis vergangener Rechtspflege erhalten und wurde erst etwa um 1900 wiederentdeckt, als das Schloss renoviert wurde. Die ersten Führungen fanden 1955 oder 1956 statt.

Folterkammer Pöggstall

Folterkammer Pöggstall

An der Wand steht eine Streckleiter, daneben eine Prügelbank. Mit Riemen wurde der ‚peinlich Befragte‘ auf das Holzbrett geschnallt und so lange auf das Grausamste geschlagen, bis er ein Verbrechen gestand. Ein Richtrad ist an die Wand gelehnt, eine Nische daneben gibt Platz für eine kleine Feuerstelle. Auf ihr wurden die eisernen Zangen erhitzt, mit der dem Delinquenten ein Geständnis buchstäblich herausgebrannt werden sollte. Eine Schandgeige wirkt im Gegensatz dazu geradezu harmlos. Wie bei jeder Folterung fand auch hier die Mund- oder Folterbirne (Grausbirne) Gebrauch. Sie hinderte den Gefolterten am Schreien, und weil im abgelegenen Turm keine Gefahr bestand, dass Außenstehende dieses Schreien hören könnten, kann man annehmen, dass die Folterknechte ihre Arbeit ungestört ausführen wollten. Verlässt man den Raum, diesen Spielplatz des Sadismus, kommen Zweifel an der ‚guten alten Zeit‘ auf.

Die komplette Ausstellung wurde 2018 neugestaltet.

Die Kuratorin der Ausstellung, Elisabeth Vavra, die als führende Historikerin zur Rechtsgeschichte Niederösterreichs und Kuratorin mehrerer Landesausstellungen über die Grenzen Niederösterreichs hinaus bekannt ist, konnte für die Gestaltung des Museums ein namhaftes Team gewinnen: das Architekturbüro Querkraft, das sich bereits für die Landesaustellung 2017 verantwortlich zeichnete, und die Grafiker Perndl + Co, die jüngst das Haus der Geschichte im Museum Niederösterreich gestalteten.

Wir ersuchen um Verständnis, dass die Besichtigung der Folterkammer nur im Rahmen einer Kulturvermittlung möglich ist und dass das Begehen der Folterkammer nicht barrierefrei gestaltet werden kann (7 Stufen).


Prügelbank